Aktuelle Frage

Aktuelle Frage

Rechtfertigt jede Verletzung der Schweigepflicht eine Geldentschädigung?

Diese Frage hat das Oberlandesgericht Naumburg in seinem Urteil vom 18.12.2017, Az.: 1 U 87/17 beantwortet. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hat die Patientin der Behandlerin (Diplompsychologin und Psychotherapeutin) ihre Zustimmung erteilt, den Ehemann der Patientin über die Einweisung ins Krankenhaus in Kenntnis zu setzen. Die Behandlerin hinterließ auf dem Anrufbeantworter bei der Familie der Patientin eine Nachricht, wonach sich die Patientin wegen suizidaler Gedanken im Klinikum befand. Die Tochter der Patientin hörte den Anrufbeantworter ab.

 

Das OLG stellte fest, dass der Patientin kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht durch den Anruf der Behandlerin bei der Familie der Patientin und der Mitteilung auf den Anrufbeantworter aus § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB und Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zusteht. Zur Begründung hat der Senat Folgendes ausgeführt:

 

„Selbst wenn man unterstellt, dass die [Behandlerin] die [Patientin] durch die Mitteilung auf dem Anrufbeantworter in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt hätte und eine Entbindung von der Schweigepflicht nicht vorgelegen hätte, würde die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht so schwerwiegend sein, dass sie unabweisbar die Zubilligung einer Geldentschädigung erfordern würde. Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führt nämlich nur dann zu einer Geldentschädigung, wenn es sich um eine objektiv erheblich ins Gewicht fallende Beeinträchtigung handelt. Ob eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen so erheblichen Grad erreicht, ist anhand aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Zu berücksichtigen sind in diesem Rahmen Art und Intensität des Eingriffs sowie die Nachhaltigkeit der Schädigung des Betroffenen. Ferner sind als Beurteilungskriterien der Bereich des Eingriffs, der Anlass und der Beweggrund und das Verschulden des Verletzten zu würdigen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 11. 12. 2008 – 15 U 170/07 –, z. B. GesR 2008, 587). Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich im vorliegenden Fall keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der [Patientin] feststellen, die so schwer wiegen würde, dass die Zuwendung einer Geldentschädigung unabwendbar geboten wäre, um die erlittene Beeinträchtigung auszugleichen. Denn würdigt man die Umstände, unter denen diese telefonische Mitteilung erfolgt ist, also im Besonderen das, was am 10. 1. 2012 in den Praxisräumen der [Behandlerin] geschehen ist, nämlich der Zusammenbruch der [Patientin] ihre stationäre Einweisung durch den Notarzt und die vorherige Erörterung von Suizidgedanken und auch der Hinweis der [Patientin] den Ehemann von der Einweisung in das Krankenhaus zu unterrichten, ist eine zu billigende Motivation festzustellen, die gerade keine haftungsrechtliche Relevanz erreicht. Denn das Verhalten der [Behandlerin] war gerade darauf ausgerichtet, im Interesse der [Patientin] den Ehemann von der Einweisung ins Krankenhaus in Kenntnis zu setzen und die sachgerechte Weiterbehandlung der [Patientin] zu gewährleisten.“

 

Dem Urteil des OLG Naumburg ist voll zuzustimmen, da sowohl das Gesetz als auch der Sachverhalt lebensnah bzw. praxisadäquat ausgelegt wurde. Eine Geldentschädigung für zugefügten immateriellen Schaden bei Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht kommt nur bei einem schwerwiegenden Eingriff in Betracht und wenn die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Das OLG München (Urteil vom 04.02.2010 - 1 U 4650/08) hat einen teilweise vergleichbaren Sachverhalt anders beurteilt und das Vorliegen eines schwerwiegenden Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bejaht. In diesem entschiedenen Fall wurde ein Attest ohne Einwilligung und Auftrag des Patienten an die Ehefrau des Patienten übersandt und die Ehefrau des Patienten hat das Attest an Dritte weitergegeben bzw. Dritte zumindest mündlich über Inhalte des Attests in Kenntnis gesetzt.

 

Ass jur. Alexander Iyet
KZV Sachsen-Anhalt


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