Aktuelle Frage

Aktuelle Frage

Wann darf der Vertragszahnarzt während der prothetischen Versorgung gewechselt werden?

Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat sich neulich mit der praxisrelevanten Frage zur Zulässigkeit eines Zahnarztwechsels während der noch nicht abgeschlossenen prothetischen Behandlung in zwei Eilrechtsschutzverfahren auseinandergesetzt. Beide Eilanträge richteten sich gegen die Krankenkassen auf die Verpflichtung zur Genehmigungserteilung zu einem Zahnarztwechsel für die erforderliche Nachbesserung bzw. Neuanfertigung eines Zahnersatzes mit anschließender Kostenübernahme. In beiden entschiedenen Fällen hat das Sozialgericht auf die höchstrichterliche Rechtsprechung verwiesen, wonach das Recht der freien Arztwahl gem. § 76 SGB V nach begonnener Zahnersatzbehandlung grundsätzlich eingeschränkt ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn eine Weiterbehandlung bei dem bisherigen Zahnarzt für den Versicherten nicht zumutbar ist (vgl. BSG Urteil vom 10.05.2017 Az.: B 6 KA 15/16 R; Siehe hierzu „Zahnärztliche Nachrichten“ Sachsen-Anhalt 12/2018 Seite 42 ff.).

Das Sozialgericht hat in einem Fall die Unzumutbarkeit einer Weiterbehandlung bejaht und damit dem Erfordernis eines Zahnarztwechsels zugestimmt (vgl. SG Frankfurt am Main, Beschluss vom 07.03.2019 - S 18 KR 2756/18 ER). Das Sozialgericht stellte fest, dass der mit der Begutachtung im Verwaltungsverfahren befasst gewesene Sachverständige zwar in diesem Rahmen einen (behebbaren) Mangel des Zahnersatzes festgestellt hat. In seinem Bericht gegenüber dem Sozialgericht führte er unter anderem aus, dass bei einem Zahnersatz die zahlreichen Nachbesserungen bei ungünstiger funktioneller Ausgangslage sehr häufig erforderlich seien und dieser Prozess bis zu drei Monaten dauern könne bis zum Erreichen völliger Beschwerdefreiheit. Insofern erscheint die Zahl der Nachbesserungsversuche bei der Zahnärztin nicht außerhalb des Üblichen zu liegen. Jedoch begründeten vorliegend andere Faktoren die Unzumutbarkeit. Das Sozialgericht war der Überzeugung, dass das besondere Vertrauensverhältnis in diesem Fall dennoch offensichtlich zerstört sei. Es wurde weiter festgestellt, dass von der Antragstellerin und der Zahnärztin wechselseitig Vorwürfe erhoben werden und divergierende Ansichten zu maßgeblichen Umständen der Behandlung bestehen. Nach Auswertung der Akte stand fest, dass nicht lediglich gewisse Verstimmungen zwischen der Antragstellerin und der Zahnärztin vorliegen, die keine Unzumutbarkeit weiterer Nachbesserungen bei dieser Zahnärztin begründen würden. Vielmehr erscheint das Vertrauensverhältnis zerstört, sodass es der Antragstellerin nicht zumutbar ist, weiterhin auf die bisherige Behandlerin verwiesen zu werden.

In einem anderen Fall hat das Sozialgericht den Eilantrag abgelehnt (vgl. SG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.06.2019 - S 35 KR 602/19 ER). In diesem Fall brach die Antragstellerin die Behandlung ab, sodass es zu einem Einsetzen der fertigen Prothesen gar nicht mehr kam. Die Krankenkasse informierte die Antragstellerin darüber, dass ein Mängelgutachten aufgrund des nicht vollständig eingegliederten Zahnersatzes nicht zielführend sei. Die behandelnde Vertragszahnärztin habe auch eine zweijährige Gewährleistungsfrist, innerhalb dieser Frist sei ein neuer Zahnersatz grundsätzlich nicht möglich. Das Sozialgericht stützt sich bei seiner Beurteilung zur Versorgungsqualität aufgrund der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eingeschränkten Ermittlungsmöglichkeiten auf die Befundberichte der behandelnden Zahnärztin und der neuen nachbehandelnden Zahnärztin. Da die prothetische Versorgung der Antragstellerin nicht fertiggestellt werden konnte, kann die Gesamtversorgung somit nicht auf ihre Mangelhaftigkeit oder Unbrauchbarkeit hin beurteilt werden, denn sie wurde bislang noch nicht erbracht. In diesem Zusammenhang erwartete die Antragstellerin nach Aktenlage konkrete Nachbesserungen in Form von umfassendem Abschleifen bzw. Kürzen der Kronen bis hin zum Entfernen aller Kronen. Es erscheint dem Sozialgericht bei einer so umfangreichen Gebiss-Sanierung wie hier naheliegend, dass bis zum Erreichen einer vollständigen Beschwerdefreiheit zahlreiche Nachbesserungen erforderlich sein können und dass eine aussagekräftige Beurteilung der Versorgungsqualität erst nach einem Abschluss der Behandlung möglich ist. Allein die Unstimmigkeiten in der vorzunehmenden Nachbesserung zwischen Antragstellerin und behandelnder Zahnärztin belegen kein zerstörtes Vertrauensverhältnis.   

Die beiden sozialgerichtlichen Entscheidungen haben bestätigt, dass die Frage der Zumutbarkeit der Nachbesserung/Neuanfertigung eine hohe Praxisrelevanz hat und nur in einem Einzelfall beurteilt werden kann. Eine ordnungsgemäße Dokumentationsführung bleibt daher in solchen Fällen immer besonders wichtig.

Jur. Alexander Iyet
KZV Sachsen-Anhalt


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